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Fliegende Einhörner im Trading-Chart


Der heutige Blog-Artikel soll ich sich einem spannenden, in Bezug aufs Trading manchmal auch sehr kostspieligem Phänomen widmen: Pareidolie.


Dass uns unser Gehirn im Trading „Streiche“ spielt wissen wir allerspätestens nachdem wir uns mit dem Thema „Kognitive Verzerrungen“ auseinandergesetzt gehaben, in diesem Zusammenhang die Verlustaversion ein Thema war und welchen Einfluss diese auf die Profitabilität in unserem Trading hat.


Kognitive Verzerrungen bzw. Phänomene wie die Verlust-Aversion kommen in unserem alltäglichen Leben und in unserem Trading in vielen Facetten vor, z.B. auch derart, dass wir denken Dinge zu sehen, die nur in unserer Phantasie existieren bzw. etwas konkreter: aus welchen unser Gehirn ein in sich stimmiges Bild kreiert.


Für dieses Phänomen gibt es einen Fachbegriff: Pareidolie oder etwas allgemeiner gefasst: Clustering-Illusion.


Was ist Pareidolie?


Wikipedia schreibt hierzu:


Pareidolie (altgriechisch παρά para, deutsch ‚daneben‘, ‚vorbei‘ und εἴδωλον eídolon, deutsch ‚Form‘, ‚Erscheinung‘, ‚(Trug-)Bild‘, ‚Schattenbild‘, theologisch auch ‚Götzenbild‘) bezeichnet das Phänomen, in Dingen und Mustern vermeintliche Gesichter und vertraute Wesen oder Gegenstände zu erkennen. Sie ist eine Variante der Clustering-Illusion.


Um sich diese Illusion etwas besser vorzustellen ein greifbares Beispiel, was du vermutlich selbst kennst:


du schlenderst mit deiner Lebensgefährtin/Lebensgefährten über die Straße und plötzlich ruft diese/r aus:


„Ahhhh, schau mal, wie romantisch!“


Der Finger zeigt zum Himmel, es zieht gerade eine Wolke vorbei und in dieser ist angeblich ein Herz zu erkennen.


Was nun bei dir im ersten Moment ein Schmunzeln hervorruft ist in der Tat ein Phänomen, welches uns im Trading viel Geld kosten kann bzw. erfahrungsgemäß tut.


Was ist der Grund für Pareidolie bzw. die Clustering-Illusion?


Tatsächlich ist unser Gehirn derart veranlagt, dass es rein zufälligen Mustern, die in ausreichend großen Datenmengen zwangsläufig vorkommen, Bedeutungen zuschreibt.


Das geschieht dadurch, dass unser Gehirn unvollständige Bilder und Strukturen vervollständigt und uns bekannten und vertrauten Mustern angleicht.


Besonders im Trading und hier in unseren Charts ist die Gefahr solchen Illusionen zu unterliegen besonders stark ausgeprägt:


es handelt sich bei einem Kerzen-Chart schließlich um nichts weiteres, als eine zufällige Aneinanderreihung von Kerzen, aus welchen es gilt ein Muster abzulesen um eine erhöhte Wahrscheinlichkeit der Richtung für die nächste Kerze/nächsten Kerzen abzuleiten und hierdurch langfristig Geld im Trading zu verdienen.


Hat man demnach zu Beginn seiner Trading-Laufbahn bspw. den Technische-Analyse-Klassiker „Technische Analyse der Finanzmärkte“ von John Murphy verschlungen und die dort präsentierten Chart-Formationen wie „Schulter-Kopf-Schulter“ studiert, kommt es nicht selten vor,

Beispiel für die allseits bekannte, profitable Short-Formation „Kotzendes Kamel“,


diverse solcher Formationen in nahezu jedem betrachteten Chart wiederzuerkennen und entsprechend handeln zu wollen.


Selbstverständlich finden sich im Zusammenhang mit der Clustering-Illusion auch wissenschaftliche Ausarbeitungen, so z.B. von Gilovich, Vallone und Tversky im Zusammenhang mit der „Hot Hand“, die ich auch als Beispiel einer kognitiven Verzerrungen in meinem Buch „Trader“ auf Seite 135 aufgreife:


Im Buch schreibe ich:


“[…]Im Basketball z.B. wurde in den 80er Jahren von Thomas Gilovich, Robert Vallone und Amos Tversky die „Hot Hand“ im Basketball untersucht, also die Frage erörtert: „Wirft ein Spieler mit höherer Wahrscheinlichkeit einen Korb, wenn er unmittelbar zuvor mehrere Körbe erzielt hat?“ Doch nachweislich belegen kann und konnte man dieses Phänomen in der Tat nie. Dieses „Hot Hand“-Phänomen tritt auch beim Trading auf, wobei es Trader gibt die glauben, dass es so etwas wie einen Lauf gibt, die Wahrscheinlichkeit eines Gewinn- oder Verlust-Trades nach mehreren Gewinn- oder Verlust-Trades für das ein oder andere Ergebnis höher ist.[…]“


Was bringt dir das Wissen um Pareidolie für dein Trading?


  • Zunächst einmal soll dich dieser Artikel dafür sensibilisieren, dass dein Gehirn dir in deinem Trading "Streiche" spielt und es wichtig ist, sich diese bewusst zu machen um anschließend Gegenmaßnahmen einleiten zu können, welche die negativen Auswirkungen bspw. von kognitiven Verzerrungen auf dein Trading abschwächen können (z.B. durch das Befolgen eines klar formulierten Trading-Plans und des Handelns einer nachweislich profitablen Handelsstrategie, die es dann ermöglicht z.B. „rationales Denken zu induzieren“).


  • Bevor es zu Missverständnissen kommt: ich möchte meine Zeilen nicht als Verunglimpfung der technischen Analyse verstanden wissen. Nicht nur, dass diese ihre absolute Daseinsberechtigung hat und auch in meinem Trading Verwendung findet. Zudem vollbringt das menschliche Gehirn beim Erkennen von (Chart-)Mustern absolute Spitzenleistungen, Leistungen, die kein Computer der Welt vollbringen könnte.

Allerdings gilt es sich klar zu machen, dass das Erkennen eines bestimmten Musters im Chart nichts weiter als nur das ist: ein Muster. Ob sich dieses profitabel handeln lässt, gilt es unter der Vorgabe klarer Parameter, die für das Muster gelten und mittels eines ausgiebigen Backtests erst herauszufinden.


Das bedeutet umgekehrt: eine Herangehensweise ala „Schau, im DAX formt sich auf Stundenbasis eine SKS, demnach geht es zeitnah abwärts“ ist hiermit offensichtlich nicht gemeint.


  • Hast du also durch eingehendes Studium von Charts ein entsprechendes Muster identifiziert und die Rahmenbedingungen für ein solches Muster festgelegt, gilt es dieses über ein aussagekräftiges Zeitintervall zu testen.

Ist das von dir identifizierte Muster über eine Vielzahl von Trades dann profitabel, hast du einen entscheidenden Schritt zur Formulierung eines profitablen Handelsansatzes gemacht, den es dann gilt konsequent umzusetzen.


Sollte dir der Artikel gefallen haben, sende dein Feedback gerne an jklatt@jk-trading.com

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