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WTI-Brent-Pair Trading - eine Handelsstrategie


Nachdem wir im Artikel vorige Woche einen ersten Einblick in das Thema „Pair Trading“ gegeben haben, soll es heute ans „Eingemachte“ gehen und wir wollen uns eine konkrete Pair Trading-Strategie anschauen.


Im Artikel vergangene Woche stellten wir heraus, dass wir zum Pair Trading fungible oder austauschbare Assets benötigen und diese dann gegeneinander handeln.


In meinem Buch „Trader – Der Weg zur profitablen Handelsstrategie – in jedem Markt“ hatte ich eine Pair Trading-Strategie anhand von WTI- und Brent-Oil vorgestellt.


Das es sich bei WTI und Brent um austauschbare Güter handelt, ist kaum einer näheren Erwähnung wert und zeigt sich anhand des folgenden Charts, der die Kursverläufe von WTI und Brent übereinander gelegt zurück bis ins Jahr 2000 illustriert:


Kommt es nun beispielsweise am physischen Rohölmarkt in den USA durch Angebotsüberhänge im WTI zu eher fallenden Notierungen, während gleichzeitig ein Nachfrageüberhang bei der Nordsee-Sorte Brent dort für anziehende Notierungen sorgt, bewegen sich beide Öl-Sorten in unterschiedliche Richtungen und weg von ihrem „Normal“ und ihrer sonst stabilen Preisdifferenz.


Die zu beantwortende Frage lautet nun: was ist „Normal“?


Hierzu wollen wir zwei Kern-Komponenten des zu formulierenden Handelsansatzes einführen:


  • Das Ratio: Beim Ratio handelt es sich um ein Verhältnis zwischen WTI und Brent: WTI/Brent, welches sich ausgehend vom Quotienten des WTI- und Brent-Tagesschlusskurses ergibt.

  • EMA auf das Ratio: Beim EMA handelt es sich um einen exponentiell gewichteten, gleitenden Durchschnitt, der mittels der Daten zum Ratio berechnet wird und der als Ziel hat, ein durchschnittliches Bewertungsniveau des Verhältnisses zwischen dem Brent- und WTI-Schlusskurs zu berechnen.


Sobald wir diese beiden Datenreihen „Ratio“ und „EMA auf Ratio“ anhand historischer Daten berechnet haben (z.B. in Excel), erstellen wir eine weitere Datenreihe erstellt:


  • Ratio – EMA Ratio: hierbei handelt es sich um die Differenz zwischen dem oben berechneten Ratio und dem auf das Ratio berechneten EMA.


Pair Trading hieß nun, dass wir das unterbewertete Asset Long handeln und das überbewertete Short.


Unterbewertet“ bzw. „Überbewertet“ ergibt sich nun aus einer Abweichung zwischen dem Ratio und dem EMA-Ratio, sprich: wenn die Differenz dieser beiden einen bestimmten Wert über-/unterschreitet, wird das Handelssignal generiert.


In der Tat sollte dieser Wert groß genug gewählt werden, damit der Spread und die Kommissionen bzw. Finanzierungskosten für den Trade berücksichtigt werden.


Dadurch wird gewährleistet, dass ein sonst profitabler Trade nicht durch diese Komponenten als Verlust verbucht werden muss.


Der Schwellwert wird auf 0.012 festgelegt.


Und nun lässt sich bereits unsere Handelslogik formulieren:


  • Entry Long/Short: die Differenz zwischen dem Ratio und dem EMA(4) auf das Ratio ist größer bzw. kleiner/gleich 0.012; gehe dann einen Kontrakt im überbewerteten Markt Short und einen Kontrakt im unterbewerteten Long

  • Stop: wird nicht gesetzt (eine Risiko-/Money Management-Betrachtung wird hier weiter unten gegeben

  • Take Profit: Der Trade wird geschlossen, sobald das Ratio zurück über den auf das Ratio berechneten EMA (4) kreuzt


Hier das Resultat eines Backtests zwischen 2000 – 2016:


  • Trades: 272

  • Trefferquote: 73,5%

  • Verlustquote: 26,5%

  • Payoff-Ratio: 1,015 : 1

  • Max Drawdown in % (basierend auf Floating PnL): 20,67%

  • Maximale Dauer eines Trades in Tagen: 15 Tage


Weitergehende Risiko-/Money Management-Betrachtungen


Bei Betrachtung der Handelslogik wurde ein dem Pair Trading grundsätzlich innewohnendes „Problem“ offenbar: wir arbeiten bei diesen Ansätzen sehr häufig ohne Stop Loss bzw. Verlustbegrenzung und müssen uns hier anderer Risiko-Management-Herangehensweisen bedienen.


Eine ist z.B., dass wir einen relativ kurzen EMA nutzen.


Da der Pair Trade nur solange gehalten wird bis es zur Rückkehr des Ratios über den auf das Ratio berechneten EMA kommt wird gewährleistet, dass es keine »Endlos«-Trades gibt und der Trade zeitnah nach der Eröffnung auch wieder geschlossen wird.


Allerdings kann es dennoch vorkommen, dass aufgesetzte Pair-Trades zunächst einen signifikanten Verlust ausweisen (es also zu einer Ausweitung des im ersten Artikel thematisierten Spreads kommt), bevor sie dann, eventuell sogar mit Gewinn, geschlossen werden.


Dies illustriert folgende Grafik, die für das Backtest-Intervall die jeweiligen maximal offen stehenden Gewinne und Verluste aufzeigt:


Die Grafik zeigt, dass ein Pair-Trade in der Spitze einen maximalen schwebenden Verlust von rund 1.000 US-Dollar ausgewiesen hat.


Eine detailliertere Betrachtung hierzu weiter oben im ausgegebenen Backtest zeigt, dass der maximale Drawdown in %, basierend auf dem schwebenden Gewinn/Verlust knapp 21% betragen hat.


Was man nun machen könnte wäre eine Monte-Carlo-Simulation (z.B. hier) ausgehend von obigem Input-Parametern zu erstellen und zu schauen, in welchem Bereich man bei einem Risiko von bspw. 1% aufs Trading-Kapital Drawdown-technisch landen würde.


Wird nach mehreren Simulationen der maximale Drawdown des Test erreicht und eventuell überschritten und du fühlst dich mit dem ausgegebenen Verlust von bspw. 25% nicht wohl, solltest du die Positionsgröße bzw. das prozentuale Risiko auf ein solches Niveau anpassen, dass du mental mit dem maximalen Drawdown fein wärst.


Alternativ könntest du auch mit einem »Worst-Case-Stop« arbeiten, z.B. sagen: »Ich bin bereit, maximal x Euro meines Trading-Kapitals zu riskieren und nehme, sollte das jeweils gehandelte Paar in Summe diese Schwelle erreichen, den Trade raus


Wählt man eine solche Herangehensweise, erwächst allerdings das Problem, dass Trades herausgenommen werden, die sich unterm Strich noch positiv entwickelt hätten (wie beispielsweise im Falle des zeitweise schwebenden Verlusts von 1.000 US-Dollar).


In meinem Buch „Trader“ habe ich zudem noch eine dritte Möglichkeit aufgegriffen: hier schrieb ich, dass das Risiko eines Pair-Trades auch über einen dem Handelskonto angepassten, konservativeren effektiven Hebel, der z.B. nie größer 2 ist, gemanagt werden könnte.


Das heißt anders: Wenn der Trader ein 10.000-Euro-Konto handelt, sollte der Gesamtwert der WTI-Brent-Position 20.000 Euro Gegenwert nicht übersteigen.


Anders gesprochen bedeutet das: je höher der effektive Hebel gewählt wird, umso größer ist das Risiko eines signifikanteren und zeitweise auftretenden Drawdowns.



Zusammenfassung


  • Beim WTI-Brent-Pair Trade handelt es sich um eine marktneutrale Strategie, die eine Long- und eine Short-Position in stark miteinander korrelierten Märkten eröffnet.

  • Es wird ein Ratio (= Verhältnis), ausgehend vom Tagesschlusskurs im WTI und Brent, berechnet.

  • Auf das Ratio wird ein EMA (4) berechnet.

  • Ausgehend vom Ratio und EMA auf das Ratio wird eine Differenz »Ratio – EMA auf Ratio« berechnet

  • Generierung eines Handelssignals: Wird bei der Differenz »Ratio – EMA auf Ratio« ein Schwellwert von 0,012 über-/unterschritten, wird das unterbewertete Asset Long gehandelt, zeitgleich das überbewertete Asset Short gehandelt.

  • Stopp: Es wird in der Basis-Version kein Stopp gesetzt.

  • Ziel: Der Trade wird geschlossen, sobald das Ratio zurück über den auf das Ratio berechneten EMA (4) kreuzt.


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