Im heutigen Blog-Artikel soll es um eine uns allen täglich im Trading begegnende Emotion gehen: Angst.
Angst begegnet uns im Trading in vielerlei Formen und Facetten:
Angst vor Verlusten,
Angst Trades zu verpassen,
Angst den richtigen Ausstieg aus einer Position zu verpassen,
usw.
Wir wollen uns im Folgenden dem Thema „Angst“ aus einer für unsere Trading-Bedürfnissen angepassten Sichtweise widmen.
Vorab ein Buch-Tipp meinerseits: wer eine etwas generellere Betrachtung zum Thema „Angst“ wünscht, dem empfehle ich das Buch „Biologie der Angst“ von Gerald Hüther – ein tolles, gut verständliches Buch zum Thema.
Kommen wir zu unserer „Trading-Angst“: was wir aus früheren Blog-Artikeln auch wissen ist, dass Angst zu Emotionen führt, meistens negativen Emotionen und das diese wiederum in „kognitiven Dissonanzen“ resultieren.
Diese kognitiven Verzerrungen und systematischen Fehleinschätzungen hinsichtlich Wahrnehmungen, Erinnerungen, Denken und Urteilen, sorgen dann dafür, dass es in unserem Trading zu negativen Entwicklungen kommt.
Das hört sich im ersten Moment hochtrabender an, als es tatsächlich ist:
wenn du dich in deinem Trading schon einmal vor dem Monitor hast sitzen sehen und dabei murmeln hören:
„Habe ich‘s doch gleich gesagt – DAX Long!“ oder
„Ahhh, ist der Markt nicht bereits etwas weit gelaufen, wäre es nicht vielleicht besser hier erstmal Gewinne mitzunehmen und später nochmal einzusteigen?“ oder
„Jetzt hat mich heute schon mein Zahnarzt auf Bitcoin angesprochen – vielleicht sollte ich doch noch einsteigen…“
dann hast du hier eben genau diesen kognitiven Verzerrungen unterlegen.
Und das ist auch nichts schlimmes, ganz im Gegenteil: du fragst dich das vor deinem Trading-PC sitzend, weil du ein Mensch bist.
Wenn die nun durch Angst hervorgerufenen Emotionen zu „schlechten“ Entscheidungen in unserem Trading führen, dann macht es scheinbar Sinn, „das Problem bei der Wurzel zu packen“.
Und diese Wurzel ist Angst.
Hier gilt es sich vor allem einer Frage zu widmen:
Warum tritt Angst auf, besonders im Trading?
Angst tritt auf, wenn wir uns einer Bedrohung gegenübersehen.
Im Trading tritt Angst demnach dann auf, wenn wir eine Position eingehen, egal, ob Long oder Short. Warum?
Nun, wir gehen ein Risiko ein, Geld zu verlieren. Und davor haben wir Angst, denn im übertragenen Sinne wird hierdurch unsere wirtschaftliche Existenz bedroht.
Das erklärt auch, warum Positionsgrößen-Management im Trading so wichtig ist: es geht hierbei, aus rein psychologischer Sicht, um die Reduktion eben dieser existenziellen Angst, die ganz natürlich zu einer Abschwächung der aus der Angst resultierenden Emotionen und somit falschen Trading-Entscheidungen führt.
Statt Angst erfahren wir durch eine konservatives Positionsgröße kleine, von Erfolg geprägte und Freude bringende Schritte in unserem Trading, was dann Lust auf mehr macht.
Die beiden Hormone, die hier eine ganz wesentliche Rolle spielen sind Serotonin und Dopamin, die als eine Art „Lernturbo“ fungieren, sind im übertragenen Sinne Dünger für das Wachstum neuronaler Verknüpfungen und befeuern bzw. unterstützen den entsprechenden Trading- Lernprozess (Details zu diesem spannenden Thema auch im Blog-Artikel "Die Biochemie des Tradings")
Aber zurück zum heutigen Hauptthema „Angst“: was wir zunächst einmal machen wollen ist einen Blick auf unser „Trading-Gehirn“ werfen: dieses besteht, grob gesprochen, aus drei Arealen:
Dem Reptiliengehirn (oder: Stammhirn), welches Instinkte und automatische Reaktionen steuert
Dem limbischen System (das ist das Randgebiet zwischen Großhirn und Gehirnstamm), welches Emotionen und Gefühle steuert und
Dem Neocortex, welcher Vernunft, Kognition, logisches Denken und Kreativität steuert
Als Trader wollen wir unsere Entscheidungen vor allem im Neocortex treffen, denn: logisch, komplexe Zusammenhänge erkennend, rational agierend.
Aber in der Realität sind unsere Entscheidungen ein Produkt aller drei Areale, wodurch unsere Entscheidungen im Trading (und unserem Leben generell) verzerren.
Dort sind dann Gefühle, Emotionen, Flucht- oder Kampfmodi und das Resultat sind kognitive Verzerrungen wie FOMO (also die Angst etwas zu verpassen, HIER ein detaillierter Blog-Artikel), Verlustaversion (also die Tendenz Verluste laufen zu lassen, Gewinne zu begrenzen, HIER ein Blog-Artikel zum Thema), usw.
Das bedeutet etwas anders formuliert: sobald wir im Trading Stress bzw. einer Bedrohung ausgesetzt sind, fließt im übertragenen Sinne das Blut aus dem vorderen Teil unseres Gehirns, präfrontalen Kortex in den „hinteren“ Teil, in den Bereich wo das limbische System zu finden ist und das Stammhirn.
Und das sorgt dafür, dass wir in den Kampf- oder Flucht-Modus übergehen.
Und was bedeutet das jetzt bzw. wie kann ich als Trader das zumindest reduzieren?
Die Frage ist folgerichtig und die pauschale Antwort „Um Angst in unserem Trading in den Griff zu bekommen muss unser Ziel sein, Bedrohungssituationen zu reduzieren und zu vermeiden“ ist nicht wirklich zielführend.
Bevor ich drei Strategien präsentiere, die für mich und mein Angst-Management in meinem Trading sehr gut funktionieren, möchte ich mit einem weniger abstrakten Beispiel fern der Welt des Tradings beginnen.
Hierzu stellen wir uns einen Hund vor, den man sich aus dem Tierheim zu sich holt.
Nicht selten ist es so, dass der Hund verschüchtert ist, eventuell traumatisiert, hat vielleicht durch seine Erfahrungen Angst vor Menschen und zieht sich in seiner neuen Heimat in eine Ecke zurück.
Nun die Frage: wie gewinne ich das Vertrauen des Hundes?
Rein intuitiv wird man ein vertrauensvolles Umfeld schaffen, ruhig, leise und behutsam mit dem Hund sprechen und sich langsam annähern.
Was geht in diesem Zusammenhang immer? Leckerlies bzw. Fressen… 😉
Das bedeutet: man wird dem Hund ein Leckerlie hinhalten, der Hund wird sich langsam annähern, schnuppern, beginnen zu fressen, während man den Hund streichelt, beruhigt, lobt und ihm einfach zeigt, dass er hier sicher ist und vertrauen kann.
Was man bei genauerer Betrachtung macht: man ersetzt die Angst des Hundes durch etwas stärkeres und ihn motivierendes wie Fressen, Liebe und Zuneigung.
Diesen Gedanken wollen wir festhalten und für unser Trading anpassen.
Erinnern wir uns zunächst an einige Charaktereigenschaften erfolgreicher Trader, die ich immer gerne in meinen Vorträgen oder Webinaren thematisiere (Details im Blog-Artikel HIER):
Erfolgreiche Trader finden ihre Motivation zum Trading nicht im monetären Bereich
Erfolgreiche Trader verfügen über ein Growth Mindset, sehen Probleme, Hindernisse oder Misserfolge als Chance, etwas zu lernen und am Prozess zu wachsen
Erfolgreiche Trader haben eine klar formulierte Liste herausfordernder, erreichbarer und messbarer Ziele; sie beurteilen ihren Fortschritt kontinuierlich und fragen sich kontinuierlich was sie tun können/müssen, um weiteren Fortschritt zu verzeichnen/ kontinuierlich besser zu werden
Gehen wir das mal aus meiner persönlichen Situation an: ich bin nicht nur Trader. Ich gebe Webinare, Podcasts, bin Autor zweier Trading-Bücher, schreibe Analysen, gebe Coachings oder mache YouTube-Tutorials.
Nun kommt es vor, dass sich entweder in Chats während meiner Webinare, Tutorials oder auch in physischer Form auf Events wie der World of Trading Menschen mit der Frage an mich wenden:
„Und Du bist erfolgreicher Trader? Warum bist Du dann hier und verdienst dein Geld mit Vorträgen?“
Anfangs hat mich diese Frage gestört und teilweise sehr geärgert, doch mittlerweile bin ich diesbezüglich sehr viel entspannter geworden.
Du fragst, warum mich die Frage geärgert hat?
Ist das nicht offensichtlich?
Ganz ehrlich: wie kann es sein, dass jemand nicht erkennt, dass finanzieller Erfolg und auf dein Trading-Konto fließendes Geld nur ein Nebenprodukt ist, es doch um so viel mehr geht?
Geld… Das ich nicht lache…
(Ok, sind wir ehrlich: vermutlich genau deswegen, weil meine jugendliche Naivität mittlerweile gewichen ist und ich einiges an Lebenserfahrung habe sammeln dürfen, bin ich mittlerweile in Bezug auf diese Frage sehr viel entspannter…😉)
Kommen wir also zu einer wesentlichen Charaktereigenschaft erfolgreicher Trader:
Erfolgreiche Trader finden ihre Motivation zum Trading nicht im monetären Bereich.
Geld ist für erfolgreiche Trader ein Nebenprodukt, ein Resultat der Aneinanderreihung profitabler, wachstums- und prozess-orientierter Entscheidungen.
Genau aus dieser Wachstums- und Prozess-orientierte Pfad, dem erfolgreiche Trader folgen, der sich in der Tat und erfahrungsgemäß auf alle Lebensbereiche positiv auswirkt, ziehen erfolgreiche Trader ihre Motivation.
Es ist
der stete Wunsch zu wachsen (sei es menschlich, intellektuell, persönlich, etc.),
das Bedürfnis sich mit anderen Trading-Begeisterten austauschen zu können und zu dürfen,
die Hoffnung auf mögliche Fehler aufmerksam gemacht zu werden und entsprechende Verbesserungen auf den Weg bringen zu können,
das Bedürfnis, ihr Wissen teilen zu dürfen, anderen Tradern Denkanstöße zu liefern, in der Hoffnung, dass das Schicksal ihnen zu gegebener Zeit einen Geistesblitz zurückschickt.
Diese Motivation unterliegt einem ganz wesentlichen Charakteristikum: ich bin hier meines persönlichen Glückes und Erfolgs Schmied.
Ich bin nicht davon abhängig, ob ein Trade sich für oder gegen mich entwickelt und mein Selbstwertgefühl ist somit nicht abhängig von meiner GuV für den jeweiligen Handelstag.
Stattdessen entscheide ich,
ob ich mich gut für den Handelstag vorbereite,
meine Routine einhalte,
meine Gedanken mit anderen Trader teile und mich zu den jeweiligen Trade-Hypothesen austausche.
Ich minimiere im übertragenen Sinne all das, was ich nicht beeinflussen kann und maximiere das, was ich im Zusammenhang mit meinem Trading und meinem Wachstumsprozess beeinflussen kann.
Das führt uns in der Tat zur erste Strategie, wie ich Ängste in meinem Trading in den Griff bekommen habe bzw. auch weiterhin bändige.
Die Grundlage für diese erste Strategie ist Meditation und ganz besonders Visualisierungstechniken.
Falls du noch keinerlei Erfahrung mit Meditation, entsprechenden Techniken und dergleichen hat: ein sehr guter Startpunkt kann hier die HeadSpace App sein.
Was ich dann gemacht habe ist: ich habe eine “Angst-Hierachie” erstellt.
Das kann man sich wie folgt vorstellen: ich formuliere meine Ängste in aufsteigender Reihenfolge (was ist das Schlimmste, was mir in meinem Trading passieren kann, was ist ärgerlich, aber noch verkraftbar, usw.), z.B.
“Ich verpasse den Einstieg in den Trade”
“Der Markt droht mir wegzulaufen/mein Limit nicht zu holen”
“Nach meinem Einstieg bewegt sich der Trade gegen mich”
etc.
Im nächsten Schritt visualisiere ich dann genau diese Situation: ich stelle mir in Gedanken vor, wie ich mit dieser jeweiligen Situation konfrontiert werde.
Nun wirst du dir vielleicht im ersten Moment denken: aber das ist doch sehr theoretisch, oder? Muss ich da nicht in der konkreten Situation sein?
Tatsächlich nicht, denn unser Gehirn kann im übertragenen Sinne schwer bis gar nicht unterscheiden, ob wir uns in einer fiktiven oder realen Situation befinden.
Das kennen wir aus Horrorfilmen, wenn wir plötzlich einen regelrechten Adrenalinschub bekommen, Angst vor dem „Schlächter“ bekommen und ein Fluchtreflex einsetzt, obwohl wir eigentlich ganz genau wissen, dass das doch eigentlich nur ein Film ist.
Im Trading ist das genauso und unterstreicht auch, warum das visualisieren eines Trades bevor der Trade dann abgedrückt wird, aber auch eine detaillierte Nachbetrachtung so wichtig sind: es multipliziert im übertragenen Sinne das Trade-Erlebnis und den Lerneffekt.
In Bezug auf unsere Angst stellen wir uns dann sehr detailliert diese Situation vor: „Der Trade entwickelt sich gegen uns…“
Es ist ein Gedanke, denn wir im übertragenen Sinne wie eine Wolke vor unserem geistigen Augen vorüberziehen lassen (“Ah, ein Gedanke…”) und so üben, mit der in Zukunft in der jeweiligen Situation auftretenden Emotion umzugehen.
Das für uns zur zweiten Strategie die im Kern vor allem Hass beinhaltet.
Ja, Hass…
Wie mittlerweile offenbar geworden sein dürfte: unser Denken bzw. unsere Gedanken sind die Basis unserer Ängste.
Und diese Gedanken verselbstständigen sich dann nicht selten, z.B.:
ich verpasse einen Trade und gehe infolgedessen davon aus, dass dieser meiner Entwicklung in meinem Trading negativ entgegensteht, ich ein schlechter Trader bin, usw.
Die sich immer schneller drehenden Gedanken in unserem Kopf sorgen zu negativen Selbstgesprächen und münden in einer regelrechten „Negativ-Abwärtsspirale“.
Es kommt also zu folgendem Ablauf:
Es gibt ein Trigger-Event (z.B. ich habe den Trade verpasst), weswegen ich frustriert bin
Im nächsten Schritt beginne ich mir etwas (negatives) einzureden und das Negative zu glauben bzw. die daraus resultierende Konsequenz („Ich bin einfach ein schlechter Trader!“)
Das führt zur Konsequenz: ich glaube, dass meine negativen Selbstgespräche und Gedanken wahr sind und in unmittelbarer Zukunft negative Konsequenzen nach sich ziehen („Ich werde nie ein erfolgreicher, profitabler Trader sein!“)
Wenn dieses negative Gefühl stark genug wird, dann beginne ich es zu hassen – ein sehr guter Motivator um Veränderungen anzustoßen
Was ich dann im letzten Schritt mache ist: ich gehe mit mir in einen Diskurs.
Aber nicht in der Form, dass ich mir sage, was ich für ein Versager bin und mich noch weiter runter mache.
Nein, stattdessen gehe ich dieses Gespräch an, als wenn ich mit einem guten Freund bzw. mit jemandem, der mir viel bedeutet, führe.
Den würde ich nicht runter machen, sondern ihm helfen, ihn aufrichten, Ideen formulieren, wie man aus dem erlebten etwas Positives ziehen könnte und es beim nächsten Mal besser macht.
Und zu guter Letzt, meine dritte Strategie gegen Angst im Trading: Perspektive.
Was ich damit meine: ich stelle mir immer wieder und wieder die Frage, welche Bereiche in meinem Leben großartig sind, mich erfüllen, mir Spaß machen.
Im Trading bzw. Investment-Bereich heißt es doch auch, du solltest ein diversifiziertes Portfolio haben – das gilt auch für das Leben.
Das bedeutet also konkreter: ich stelle mir die Frage, wie mein „Lebens-Portfolio“ ausschaut.
Innerhalb dieses Portfolios sollte es keinen Unterscheid machen, ob ich in einem Trade ausgestoppt werde oder einen schönen Trade verpasse, den ich gerne gemacht hätte.
Ein solches Erlebnis sollte mir keine Angst machen und mir ein schönes Grill-Wochenende mit Freunden oder meiner Familie im Freizeitpark verderben.
Zudem sollte man erkennen, dass Techniken wie Meditation nicht nur positive Auswirkungen auf mein Trading, sondern auch auf mein Leben generell haben, für Ruhe, Ausgeglichenheit und Entspannung sorgen.
Die Frage, die man sich stellen sollte, ist:
„Welche Möglichkeiten gibt es für mich, mein emotionales Kapital zu diversifizieren?“
Durch eine solche Diversifikation bekommt man einen ganz anderen Blick auf das eigene Trading und resultierende Ängste wie Verlust-Trades oder auch verpasste Trading-Gelegenheiten, etc.
Zusammenfassung
Angst im Trading ist allgegenwärtig
Angst resultiert aus bedrohlichen Situationen und resultiert in Emotionen
Emotionen begünstigen kognitive Verzerrungen, die wiederum direkt und unmittelbar negative Handelsentscheidungen nach sich ziehen
Lösung des Problems: erinnere dich jederzeit daran, dass überall da, wo Glück eine Rolle spielt, der Fokus auf dem Prozess liegen sollte
Prozess-Orientierung in deinem Trading gibt dir Kontrolle und die Möglichkeit zu wachsen, was dir dein Handelskonto danken wird
Mein abschließender Tipp: beginne zu meditieren und studiere verschiedene Visualisierungstechniken – eine tolle Möglichkeit, Emotionen in seinem Trading zu reduzieren und in seinem gesamten Leben Ruhe, Ausgeglichenheit und Entspannung Einzug halten zu lassen
Dieser Blog-Artikel findet sich auch noch einmal in einem Podcast gemeinsam mit Admiral Markets:
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